Gesunde Rinder

Eiweiss

Bei der Eiweissversorgung ist die Spezialität der Wiederkäuer mindestens so ausgeprägt wie beim Energiestoffwechsel. Das Rohprotein (RP) ist entscheidend. Es besteht aus den sogenannten echten Proteinen (Globuline, Albumine, Kollagen, Elastin, Keratin usw.) und verschiedenen Nicht-Protein-Stickstoffen (NPN: Peptide, freie Aminosäuren, Nukleinsäuren, Amide, Amine, Ammoniak usw.).

Der RP-Gehalt eines Futtermittels wird ausgehend vom gemessenen Stickstoff (N) gerechnet (N * 6.25). Im Extremfall kann der RP-Gehalt dabei deutlich höher liegen als das eigentliche Gewicht des Futtermittels. Der RP-Gehalt von 1 kg Harnstoff beträgt beispielsweise 2.86 kg.

Im Pansen werden die NPN durch die Pansenmikroben vollständig abgebaut, die echten Proteine nur teilweise. Die Abbaubarkeit und die Abbaugeschwindigkeit des RP sind wichtige Grössen für jedes Futtermittel. Grassilage besitzt beispielsweise eine sehr hohe Abbaubarkeit und sehr schnelle Abbaugeschwindigkeit, weil es viel NPN enthält.

Abbaugeschwindigkeit des Rohproteins

Beim Anwelken und Fermentieren waren bereits Enzyme aktiv, welche Proteine zu NPN abbauten. Der Abbau von echten Proteinen zu Peptiden oder Aminosäuren findet extrazellulär statt und letztere werden dann von den Bakterien aufgenommen. Innerhalb der Bakterien findet ein weiterer Abbau aber auch ein Wiederaufbau von Aminosäuren und Proteinen statt (siehe unten stehende Abbildung).

Intrabakterieller Proteinstoffwechsel

Diese Syntheseleistung ist in Bezug auf Qualität und Menge sehr wertvoll. Das mikrobiell hergestellte Protein liefert schlussendlich für den Stoffwechsel der Kuh ungefähr 70% aller verwertbaren Stickstoffverbindungen.

Für die Proteinherstellung wird Energie benötigt. Folgende Schätzgleichung wird dafür eingesetzt:

Aus 6.2 g abbaubarer organischer Substanz als Energiequelle und 1 g abbaubaren RP kann 0.9 g mikrobielles Eiweiss gebildet werden.

Aus dieser Gleichung geht hervor, dass sowohl das Eiweiss wie auch die Energie der limitierende Faktor sein können. Für die Gehaltsangaben der Futtermittel werden beide Möglichkeiten gerechnet, denn ein Futtermittel mit Proteinüberschuss kann einem Futtermittel mit Energieüberschuss seinen Stickstoff zur Verfügung stellen und umgekehrt.

In der Bilanz aller Futtermittel einer Ration werden ebenfalls immer beide Möglichkeiten gerechnet. Effektiv produziert wird jedoch nur der niedrigere Wert. In einem Fall bleibt im Pansen Energie übrig, im anderen Rohprotein in Form von Ammoniak. Beides ist aus wirtschaftlicher, aber auch aus gesundheitlicher Sicht nicht erwünscht. Ein für den Pansen ausgeglichenes Verhältnis oder ein mässiger Eiweissüberschuss sollte angestrebt werden. Die berechnete Grösse für das produzierte mikrobielle Protein, wenn das abbaubare RP limitierend ist, heisst PMN (mikrobielles Protein, wenn N limitierend ist) und wenn die Energie limitierend ist PME (mikrobielles Protein, wenn Energie limitierend ist).

Im Magen-Darm-Komplex erscheint schliesslich ein RP (echte Proteine und Nichtproteinstickstoff), welches zusammengesetzt ist aus den mikrobiellen und den pansenstabilen (Roh-) Proteinen. Körpereigene Enzyme greifen diese an und die Aminosäuren werden resorbiert.

Beim mikrobiellen Protein ist die Proteinzusammensetzung relativ konstant und circa 64 % davon werden resorbiert. Die Verdaulichkeit des pansenstabilen Rohproteins ist von Futtermittel zu Futtermittel sehr variabel.
Mit der Grösse APDE (Absorbierbares Protein im Darm nach Energie) wird die Menge im Darm resorbierbares Protein bezeichnet, wenn die Energie der limitierende Faktor für die Synthese von mikrobiellem Protein ist; mit APDN (absorbierbares Protein im Darm nach Eiweiss) hingegen, wenn das Eiweiss den limitierenden Faktor darstellt. In einer Ration steht effektiv jedoch nur der kleinere Wert zur Verfügung.

Der Teilwirkungsgrad für die Milcheiweissproduktion beträgt 0.64. Somit sind in Bezug auf das Eiweiss 50 g APDE oder APDN nötig, um 1 kg Milch mit einem Standardeiweissgehalt von 3.2 % (32 g / kg) zu produzieren.

APD-Bedarf

Der weitaus wichtigste Anteil ist der „Eiweissbedarf“ für die Milchleistung (blau). Der Bedarf für die Erhaltung (grau)  bleibt während der Laktation ungefähr konstant und für die Trächtigkeit  (grün) oder einen Hitzestress (rot) muss wenig Bedarf veranschlagt werden. ECM ist die energiekorrigierte Milchleistung.

Quellen: [96, 104]