Gesunde Rinder

Magnesiummangel

Magnesium ist ein wichtiges chemisches Element, gehört zu den Erdalkalimetallen und ist mit knapp 2% am Aufbau der Erdkruste beteiligt. Die zwei Aussenelektronen bestimmen weitgehend die chemischen Eigenschaften. So kommt es in der Natur nicht in reiner Form vor.

Magnesium ist im Körper an vielen chemischen Reaktionen als Enzymbestandteil oder Coenzym beteiligt, zudem beeinflussen freie Mg-Ionen die Erregbarkeit der Zellmembranen. Sie stabilisieren unter anderem das Ruhepotential von Muskel- und Nervenzellen.

Die Kuh muss ihren Bedarf an Magnesium fortwährend durch die Futteraufnahme decken, da im Körper kaum Speicher abrufbar sind (siehe Magnesium-Stoffwechsel) und es – im Unterschied zum Calcium-Stoffwechsel – keine Hormone gibt, die für die Regulation der Blutkonzentration des Magnesiums sorgen. Die Mg-Resorption geschieht fast ausschliesslich im Pansen. Daher sind die Verhältnisse im Pansen ein entscheidender Faktor für die Menge an Magnesium, die resorbiert wird. So oder so wird jedoch nur 10% bis 20% des gefressenen Magnesiums in das Blut aufgenommen.

Prinzipiell kann es auf zwei verschiedenen Wegen, welche häufig auch gekoppelt sind, zu einem Magnesiummangel kommen. Entweder wird mit dem Futter zu wenig Magnesium angeboten und / oder die Magnesium-Resorption im Pansen ist gestört.

Das typische Krankheitsbild eines Magnesiummangels ist die sogenannte Weidetetanie oder Grastetanie. Sie trifft vor allem Kühe innerhalb der ersten zwei Monaten nach Abkalbung, und die allermeisten Fälle kommen im Frühjahr kurz nach Weideaustrieb oder im Spätherbst vor. Die Wahrscheinlichkeit, an Weidetetanie zu erkranken, nimmt mit dem Alter zu. Die sogenannte Stalltetanie ist nicht abhängig von der Jahreszeit. Im Gegensatz zur Weidetetanie, bei der es in sehr kurzer Zeit zu einem Magnesiummangel kommt, steht hier ein langsames Unterschreiten der physiologischen Blut-Mg-Schwelle im Vordergrund.

Praktische Erfahrungen zeigen, dass einzelne Kühe speziell anfällig für diese Krankheit sind. Bei gleicher Fütterung und Haltung werden sie viel schneller krank als alle anderen im gleichen Betrieb.

Quellen: [66, 77]

Diagnose beim Einzeltier

Man unterscheidet zwei Krankheitsformen: die leichte Krankheitsform mit Symptomen, welche entweder wieder spontan verschwinden können, sich aber auch langsam verschlimmern können (latente Weide- oder Stalltetanie) und die schwere Form, welche sich aus der ersten entwickeln kann, jedoch auch scheinbar gesunde Tiere plötzlich betrifft.

Latente Form

Erste und sehr unspezifische Symptome bei der latenten Form sind Fressunlust, Milchrückgang und eventuell Durchfall. Schreitet die Krankheit fort, sind weitere Symptome am Bewegungsapparat und an der Körperhaltung sichtbar. Die Tiere zeigen einen steifen Gang, der Rücken ist aufgekrümmt und der Bauch wird aufgezogen. Zurückgestellte Ohren und aufgerissene Augenlider erinnern an einen Starrkrampf. Häufig wird der Schwanz aufgestellt, Kot und Harn werden häufig, aber in kleinen Portionen abgesetzt. Auffällig ist eine vermehrte Schreckhaftigkeit, welche sich durch vermehrtes Ohr- und Augenspiel äussert, aber auch dazu führen kann, dass normalerweise umgängliche Tiere plötzlich mit den Beinen ausschlagen oder sich mit dem Kopf zu wehren versuchen. Häufig ist Zähneknirschen zu hören. Bei Tieren mit Verdacht auf Magnesiummangel muss für die weiteren Untersuchungen oder Behandlungen behutsam vorgegangen werden. Bereits geringfügige Reize wie Treiben, Einfangen oder eine tierärztliche Untersuchung können dazu führen, dass die latente Form in die akute und schwerwiegende Form der eigentlichen Tetanie übergeht.

Akute Form

Die akute Form ist durch schwerwiegende Symptome gekennzeichnet: die typischen (tetanischen) Anfälle beginnen mit aufgeregtem Benehmen, Muskelzuckungen, Inkoordination der Gliedmassen, Zähneknirschen und häufig rasendem Umherrennen. Nach kurzer Zeit kommt das Tier zum Festliegen. Die Tiere liegen in der Regel in Seitenlage mit nach oben zurückgeschlagenen Kopf und steifen Gliedmassen. Neue Krampfanfälle mit Muskelzittern, Kopf strecken, rudernden Gliedmassen usw. sind jederzeit möglich, werden aber insbesondere durch äussere Reize ausgelöst.

Labordiagnose

Um eine eindeutige Diagnose stellen können, ist meistens eine Laboruntersuchung notwendig. Dabei wird die Mg-Konzentration im Blut analysiert. Es steht auch ein Stalltest zur Verfügung, welcher semiquantitativ die Mg-Konzentration im Harn misst. Bei der Interpretation des Resultates muss man sich aber bewusst sein, dass hier nur die von der Niere regulierte Ausscheidung von Mg gemessen wird. Bei einer knappen Mg-Versorgung und intaktem Regelmechanismus ist es durchaus möglich, dass durch die gedrosselte Mg-Ausscheidung die Blut-Mg-Konzentration trotzdem noch im geforderten Bereich liegt.

Diagnose im Bestand

Vermutet man in einem Bestand eine ungenügende Mg-Versorgung, kann dies bei schwerwiegenden Fällen allein anhand von Blutproben, in denen Mg gemessen wird, nachgewiesen werden.

Eine optimale Mg-Versorgung bedeutet, dass die Kuh etwas mehr als den minimalen Bedarf erhält. Es soll ihr jederzeit möglich sein, via Regelmechanismus Mg im Harn auszuscheiden. Bei einer knappen Mg-Versorgung müsste sonst der Regelmechanismus immer auf Hochtouren laufen und dies würde einen unnötigen Stoffwechselstress bedeuten. Um den Verdacht einer knappen Mg-Versorgung abzuklären, werden Blut- und Harnproben vom gleichen Tier untersucht und man berechnet daraus die Ausscheidungsrate (fraktionelle Exkretion). Als Probandinnen eignen sich Kühe mit hoher Milchleistung mindestens drei Wochen nach der Abkalbung. Es sollten immer mehrere Tiere untersucht werden.

 

Grafische Darstellung einer Untersuchung der fraktionellen Exkretion bei 4 Tieren in einem Bestand mit Fruchtbarkeitsproblemen. Die blauen Balken zeigen die Streuung in Bezug auf den Referenzbereich. Interpretation für die Mg-Versorgung: Sie ist genügend.

Grafische Darstellung einer Untersuchung der fraktionellen Exkretion bei 4 Tieren in einem Bestand mit Fruchtbarkeitsproblemen. Die blauen Balken zeigen die Streuung in Bezug auf den Referenzbereich. Interpretation für die Mg-Versorgung: Sie ist genügend.

Quellen: [66, 77]

Prinzipiell können zwei verschiedene Ursachen für den Magnesiummangel verantwortlich sein. Entweder wird mit dem Futter zu wenig Magnesium angeboten und / oder die Resorption von Magnesium aus dem Pansen in das Blut ist gestört.

Zu wenig Magnesium im Futter

Da in der Schweiz der Grundfutteranteil in der Ration deutlich höher ist als der Anteil des Kraftfutters , hat dieser auch den wichtigeren Einfluss auf die Mg-Versorgung.

  • Gras (Bsp: Raigras) enthält weniger Mg als die sogenannten Kräuter. Dies gilt auch, wenn man es im Verhältnis zum Milchproduktionspotential nach Energie setzt
  • Schnell wachsende Pflanzen in Jahreszeiten mit kalten Nächten (insbesondere im Frühling, aber auch im Herbst) enthalten wenig Magnesium. Der Mg-Gehalt ist während dieser Perioden in der Regel tiefer als in den Futtermittel-Tabellen angegeben
  • Nach einer Kalium-Düngung enthalten die Pflanzen weniger Mg (dafür mehr Protein und Kalium)

Wird die Mg-Gabe nicht entsprechend angepasst, so kann es zu einem Mangel kommen. Das gleiche gilt beim Einsatz von nicht mineralisiertem Kraftfutter. Eine korrekte Berechnung der Ration ist gefordert (Berechnung Ration für Milchvieh).

Magnesiumgehalt verschiedener Weidetypen (Stadium 2)

Schlechte Mg-Aufnahme im Pansen

Aus dem Pansen kann nur gelöstes Magnesium resorbiert werden. Falls der pH-Wert des Panseninhalts über 6.5 liegt, nimmt die Löslichkeit ab. Es steht dann weniger Mg für die Resorption zur Verfügung und der sonst schon geringe Anteil, welcher resorbiert wird, verringert sich noch mehr. Wichtige Gründe für einen pH-Anstieg im Pansen sind hohe Kaliumkonzentrationen sowie viel pansenabbaubares Eiweiss in der Futterration.

Eine hohe Milchleistung führt zu einer höheren Futteraufnahme. Dadurch erniedrigt sich die Verweilzeit der Futtermittel im Pansen. Die Passagerate erhöht sich. Die Resorptionsrate für Magnesium sinkt. Dasselbe gilt für Rationen mit einem Eiweissüberschuss.

Bei Rationen mit einem hohen Kaliumüberschuss arbeitet der aktive Mg-Transportmechanismus nur ungenügend. Das primäre Ziel des Organismus ist dann, die Kaliumaufnahme zu drosseln. Deswegen wird mehr Natrium resorbiert und als Nebeneffekt wird weniger Mg aufgenommen.

Zusammengefasst die wichtigsten Risikofaktoren:

  • hohe Laktationsnummer
  • hohe Milchleistung
  • gräserreiches Futter
  • eiweissreiches Futter
  • Kaliumreiches Futter
  • „wachsiges“ Wetter mit starker Abkühlung Nachts

Quellen: [66, 77]

Prinzipiell müssen die Risikofaktoren eliminiert werden. Folgende Punkte sollten beachtet werden:

  • Im Frühling und Herbst kräuterreiche Weiden bestossen. Grasbetonte Parzellen erst später nutzen oder nur zusammen mit anderen Mg-reichen Futtermitteln anbieten.
  • Die Kaliumdüngung reduzieren, d. h. den Einsatz von Gülle auf Grünland begrenzen. Stark Kaliumgedüngte Parzellen sollten erst in einem späten Wachstumsstadium genutzt werden. Idealerweise macht man daraus Dürrfutter.
  • Der Mineralstofftyp (Verhältnis der Mineralsalze) und die benötigte Menge davon müssen auch in Bezug auf das Magnesium jederzeit in der Futterration angepasst werden (Berechnung Milchviehration). Das Milchproduktionspotential für Mg sollte mindestens so hoch sein wie dasjenige für NEL. Bei konservierten Futtermitteln ist eine Mineralstoff-Analyse sinnvoll, um die Ration durch einen angepassten Mineralstoffgehalt zu ergänzen.
  • Bei Weidegang oder Grasfütterung im Stall während dem Frühling und Herbst muss der niedrige Mg-Gehalt im Grünfutter durch erhöhte Mg-Gaben im Mineralfutter kompensiert werden.
  • Bei Grasfütterung auf der Weide oder im Stall sollten weitere Futtermittel eingesetzt werden, um den starken Überschuss an pansenabbaubarem Eiweiss auszugleichen.
  • Eine gute Pansensynchronisation ist anzustreben. Damit erreicht man die beste Resorptionsrate.
  • Durchfall sollte behandelt werden, denn er ist ein Risikofaktor für eine ungenügende Mg-Resorption.

Quellen: [66, 77]

Therapie beim Einzeltier

Kühe mit den typischen tetanischen Krämpfen sind Notfälle und müssen umgehend vom Tierarzt behandelt werden. Die betroffenen Tiere sollten bis zum Therapiebeginn möglichst keinem Stress ausgesetzt werden. So belässt man die Tiere lieber auf der Weide, statt sie in den Stall zu treiben und bei festliegenden Tieren sollte nicht versucht werden, sie mit allen Mitteln aufzustellen. Im Umgang mit den unkontrolliert krampfenden Tieren ist besondere Vorsicht erforderlich, um Verletzungen der Menschen zu vermeiden.

In der Regel werden vom Tierarzt Mg-haltige Infusionslösungen in das Blut verabreicht. Wenn dies aus diversen Gründen nicht möglich ist, können entsprechende Medikamente auch unter die Haut gespritzt werden. Bei der latenten Form ist eine intravenöse Verabreichung von Mg-Präparaten ebenfalls sinnvoll.

Da der Mg-Bedarf jederzeit über das Futter gedeckt werden muss, ist eine Nachbehandlung per os über mehrere Tage unabdingbar. Zum Einsatz kommen diverse Mg-haltige Präparate in Pulverform, aber auch Mg-Boli.

Unbedingt sollte auch die Mg-Versorgung der gesamten Herde überprüft werden. Falls nötig, muss die Mg-Gabe mittels Mineralfutter erhöht werden.

Quellen: [66, 77]